Es beginnt federleicht: Ein hübsches Mädchen träumt vom Mann
seines Lebens. Könnte es der Typ sein, den Shira und ihre Mutter beim Einkaufen
sehen? Was sich zunächst nach typischer „RomCom“ anhört, hat allerdings einen
sehr spezifischen kulturellen Hintergrund: Shira ist Mitglied der
ultraorthodoxen chassidischen Gemeinde in Tel Aviv. Der Mann, auf den ihr die
Mutter im Supermarkt einen diskreten Blick ermöglicht, ist ein Kandidat, der
für eine arrangierte Heirat in Frage kommt.
Shira hat mit dieser Praxis kein Problem: Sie blickt ihrer Verheiratung
aufgeregt, aber freudig entgegen. Bis eine Tragödie alle Pläne über den Haufen
wirft und der Film zum Psychodrama mutiert: Shiras ältere Schwester kommt bei
der Geburt ihres Babys ums Leben; ihr Mann will des Kindes wegen bald eine neue
Frau ehelichen. Der Heiratsvermittler hätte auch eine Kandidatin an der Hand.
Damit die Ehe zustande kommt, müsste der Mann allerdings zu ihr nach Europa
ziehen. Der Gedanke, nach der Tochter auch noch das vergötterte Enkelkind zu
verlieren, ist für Shiras Mutter jedoch unerträglich. Also verfällt sie auf
eine Lösung: Shira soll den Schwager heiraten und so die Familie
zusammenhalten. Die hat aber ihre Zweifel, ob sie in dieser Liaison die
erfüllende Liebe findet, die sie sich von einer Ehe erhofft.
Regisseurin Rama Burshtein ist selbst chassidische Jüdin und hat ihren Film
konsequent aus einer Binnenperspektive gedreht. Die Geschichte spielt, bis auf
wenige Szenen, in Shiras Zuhause. Das moderne Tel Aviv dringt dort höchstens
als vage Ahnung ein. Ähnlich eingeschränkt ist die Perspektive der Hauptfigur:
Shira kommt nie auf die Idee, die Spielregeln, nach denen ihr Leben
funktioniert, in Frage zu stellen; auch im Dilemma zwischen den Wünschen der
Mutter und den eigenen Sehnsüchten und in den Gefühlswirren bezüglich ihres
Schwagers bleibt sie fest im chassidischen Weltbild und seinen Rollenbildern
verwurzelt. Das macht diesen Film, eine Art Anti-„Yentl“, so provozierend: Er
liefert nicht nur einen intimen Einblick in die chassidische Lebenswelt,
sondern mutet eine Identifikation mit deren Werten zu.
Die patriarchale Ordnung der Ultraorthodoxen wird allenfalls dadurch sanft in
Frage gestellt, dass es vor allem um die Gefühlswelt von Frauen geht: Auf
eindrucksvolle Art lässt einen der Film den immer stärkeren inneren und äußeren
Druck auf Shira miterleiden – intensiviert durch die vornehmlich mit nahen
Aufnahmen arbeitende Bildsprache und das vorzügliche Spiel der
Hauptdarstellerin. Damit stellt sich zumindest dem Zuschauer, wenn schon nicht
der Figur, die Frage nach Handlungsalternativen jenseits des begrenzten
Horizonts. Burshtein selbst hat als Vorbild auf die Schriftstellerin Jane
Austen verwiesen – was etwas hochstapelnd ist, fehlt der Inszenierung doch
weitgehend deren kluge Ironie. Ungeachtet dessen zeichnet den Film aber seine
in Austens Spuren wandelnde psychologische Feinfühligkeit in der Zeichnung der
Figuren aus, deren Drama zwischen Emotionen und Pflichterfüllung im Zentrum
steht.
Felicitas Kleiner, FILMDIENST 2013/14