Taxi Teheran: Kritik - K50 neue Website

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Filmbeschreibungen


Um seine Bedingungen macht »Taxi Teheran« kein Geheimnis. »Was ist das hier vorne?« will der erste Fahrgast wissen, als er die auf dem Armaturenbrett montierte Kamera sieht. Auch der iranische Regisseur Jafar Panahi, der im Film die Rolle eines Teheraner Taxifahrers einnimmt, ist schnell identifiziert – man sieht ihn nach dem Umschnitt am Steuer des Wagens, kurz darauf wird er von einem Passagier erkannt, der mit illegalen Kopien von amerikanischen Serien und Hollywoodproduktionen handelt (er hat aber auch gut sortiertes Autorenkino im Gepäck und er kennt sich in Panahis Werk offensichtlich gut aus). Dieser »Film-Omid«, wie er sich einmal nennt, freilich ebenso »Darsteller« wie die übrigen Protagonisten des Films, bringt explizit die Frage nach dem inszenatorischen Charakter des scheinbar Dokumentarischen auf: Er will eine Analogie zu einer Szene aus einem von Panahis Spielfilmen erkannt haben.
Das Offenlegen der Bedingungen ist für den Film entscheidend. Denn es geht in »Taxi Teheran« nicht um die Illusionsmaschine Kino, sondern darum, mittels einer sehr einfachen, aber umso effektiveren Apparatur – eines mobilen Filmstudios – politische und gesellschaftliche Realität in der Islamischen Republik zu beschreiben und vor allem: zu besprechen. Die Frage, was hier in welchem Maße inszeniert, was echt ist, was dem Drehplan oder dem Zufall folgt, ist dann auch völlig nebensächlich. Denn der Film ist so oder so ein Dokument. Eines, das Stimmungen, Mentalitäten und Haltungen aufzeichnet, von Unsicherheiten und Zweifeln bis hin zu Unbehagen und Dissidenz. Und darüber hinaus ist »Taxi Teheran« das Dokument eines Filmemachers, der seit 2010 unter einem 20-jährigen Berufsverbot steht und trotz dieser Umstände weiterhin Filme macht. Panahi hat »Taxi Teheran« heimlich produziert und außer Landes schaffen lassen – so wie zuvor schon »This Is Not a Film« (2011) und »Pardé« (2013).
Panahi nutzt das Kino substanziell als ein Vehikel der Äußerung. Verschiedene Fahrgäste steigen in Panahis Taxi und verlassen es wieder, kommen miteinander ins Gespräch oder verwickeln den Regisseur in Gespräche – über Themen wie Zensur, Geschlechterungleichheit, Armut, Aberglaube, die Scharia. Einige Episoden sind handlungsstärker, geben Action und Slapstick den Vorrang, doch auch hier flicht Panahi geschickt thematische Abhandlungen ein, wie etwa das frauenfeindliche Erbrecht, das über eine stark überspielte, hysterisierte Unfallszene eingeschmuggelt wird.
Nach dem deprimierenden Hausarrest-Tagebuch »This Is Not a Film« signalisiert »Taxi Teheran« eine Öffnung. Es ist beeindruckend, wie Panahi das Arbeitsverbot in eine selbst auferlegte formale Beschränkung übersetzt, die dann umso stärker aus dem Raster der Reduktion ausbricht und beständig nach Möglichkeiten der Expansion sucht. Ähnlich wie bei »Ten« (2002), dem berühmten minimalistischen »Auto-Film« von Abbas Kiarostami, für den Panahi als Regieassistent arbeitete, verweist der Rahmen des Innenraums beständig auf das, was außerhalb liegt. Auf das, was man nicht sieht. Aber auch auf das, was man nicht sehen, mehr noch: nicht zeigen darf.
Explizit wird die Zensur in einer Szene mit Panahis quasseliger und extrem wacher Nichte Hana verhandelt. Hana muss als Hausaufgabe einen Kurzfilm machen. Die Regeln für einen »zeigbaren« Film stürzen sie jedoch in eine Krise. Denn wie lassen sich Forderungen nach unverfälschter Wirklichkeit und dem Vermeiden von Schwarz-Weiß-Malerei mit Einschränkungen vereinbaren wie: keine Gewalt, keine politischen und wirtschaftlichen Themen, Männer und Frauen dürfen sich nicht berühren, keine Krawatten für die Guten? Als das Mädchen bei einem Zwischenstopp im Auto wartet, filmt es ein Hochzeits-paar. Ein vorbeilaufender Junge macht dabei den Film zunichte, als er heimlich einen Geldschein aufhebt, der dem Bräutigam aus der Hosentasche gefallen ist. Erfolglos versucht sie ihn zu überreden, das Geld zurückzugeben, um seinen Film zu retten. Beeindruckend auch, wie sich Medialität im Film immer wieder vervielfältigt: Handys zirkulieren, werden als Aufzeichnungsgerät benutzt – etwa eines Testaments – oder dienen als Filmkamera.
So luftig »Taxi Teheran« mitunter auch wirkt: Panahis mobiles Studio ist ein hochverdichteter Diskursraum, klaustrophobisch und raumausgreifend gleichermaßen, geschützt und doch unwägbaren Gefahren ausgesetzt. Denn wer weiß schon um die Konsequenzen für die beteiligten Personen? Gerade der Schluss erinnert noch einmal schmerzhaft an die Fesseln dieses filmischen Projekts: den Abspann muss sich der Film selbst verbieten.

Esther Buss, FILMDIENST 2015/15
 
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